Experimentelle und numerische Untersuchung des mechanischen Verhaltens von Bandscheiben am Beispiel gesunder und geschädigter Wirbelsäulenfunktionseinheiten
- Experimental and numerical investigation of the mechanical behavior of intervertebral discs using the example of healthy and damaged spinal function units
Strampe, Malte; Stoffel, Marcus (Thesis advisor); Büchs, Jochen (Thesis advisor)
Aachen : Publikationsserver der RWTH Aachen University (2015)
Doktorarbeit
Aachen, Techn. Hochsch., Diss., 2014
Kurzfassung
Auf Grund der steigenden Zahl von Wirbelsäulenerkrankungen und -beschwerden in der Bevölkerung von industriellen Ländern besteht großes Interesse, vertiefende Kenntnisse über die Funktionalität der Wirbelsäule und ihrer Komponenten, sowie über die Zusammenhänge zwischen mechanischer Belastung und den daraus resultierenden Auswirkungen auf das biologische Gewebe zu erhalten. Das Ziel dieser Arbeit besteht in der experimentellen Untersuchung und numerischen Nachbildung des Relaxationsverhaltens von Bandscheiben, welches beispielsweise beim Heben, Halten und wieder Absetzen von Lasten auftritt. An Hand der dabei vorherrschenden Reaktionen bei einer gesunden Bandscheibe wird ein Vergleich zu einer geschädigten Scheibe, bei der der Kern entfernt wurde, gezogen. Die Betrachtung der Unterschiede bezieht sich dabei sowohl auf die externen Reaktionen, als auch auf die intrinsischen Spannungsverhältnisse beider Konfigurationen. Die experimentelle Untersuchung der Bewegungssegmente von Schafen dient zum Nachweis des Auftretens von Relaxationseffekten bei konstanten Verformungszuständen und der Überprüfung des charakteristischen Belastungs-Verformungs-Verhaltens von Präparaten mit vorhandenem und entferntem Nucleus. Die Auswertung der Relaxationsversuche ergibt erwartungsgemäß eine deutlich höhere Belastungsfähigkeit bei den intakten Bandscheiben. Mit Zunahme der Schädigung verringert sich die Tragfähigkeit der Scheiben. Bei allen untersuchten Präparaten stellt sich während der Haltevorgänge Relaxation ein, wobei der Relaxationseffekt und die maximale Kraftaufnahme bei anhaltender zyklischer Belastung absinken bis ein quasi-stationärer Zustand erreicht wird. Die Experimente ermöglichen weiterhin die Festlegung von Materialkennwerten eines benutzerdefinierten Stoffgesetzes bei der anschließenden numerischen Modellierung. Damit wird es mit Hilfe von Finite Elemente Simulationen möglich, die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen der Bandscheiben wieder zu geben. Dieser Erfolg erlaubt es, Veränderungen, wie die Resektion des Kerns, an dem Modell vorzunehmen und somit die Auswirkungen dieses Eingriffs zu untersuchen. Die dabei verwendeten Strukturmodelle, an Hand derer FE-Netze generiert, Randbedingungen definiert, der lamellare Faserringaufbau mit orthotroper, umlaufender Materialorientierung realisiert und die Verformungsvorgabe festgelegt werden, basieren auf CT-Aufnahmen der untersuchten Präparate. Dadurch können die experimentell ermittelten nichtlinearen, viskoelastischen, diffusionsabhängigen mechanischen Reaktionen der Bandscheibe auf ihre korrekten physiologischen Geometrien bezogen werden. Mit Hilfe der Simulationen lassen sich nun die Veränderungen auf das mechanische Verhalten der Wirbelsäulenfunktionseinheiten infolge von Schädigungen der Bandscheibe darstellen und vorhersagen. Die externe Reaktion der Kern-Entfernung führt zu einer Reduzierung der maximalen Reaktionskräfte und somit der Tragfähigkeit der Scheibe. Die Betrachtung der intrinsischen Verhältnisse zeigt eine deutliche Beeinflussung der Interaktionen zwischen den einzelnen Komponenten. Die Resektion des Nucleus verändert den Mechanismus, auf dem die hohe Widerstandskraft gegen axiale Belastungen der gesamten Wirbelsäule beruht. Der Ring wird bei axialer Belastung nicht länger in Umfangsrichtung durch den Kern auf Zug belastet, so dass die hohe Steifigkeit der Fasern keinen Anteil an der Tragfähigkeit der Bandscheibe leisten kann.
Identifikationsnummern
- URN: urn:nbn:de:hbz:82-opus-53158
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-CONV-145443